Anmerkungen zum Programm

 

Nur wer andere Wege kennenlernt,

versteht den eigenen

 

Leben wir nicht in wundersamen Zeiten? Wer von uns hätte vor – sagen wir mal – 20 Jahren einen grünen Ministerpräsidenten für möglich gehalten, aus­gerechnet in Baden-Württem­berg? Dazu einen, der jeden Morgen für eine CDU-Kanzlerin betet? [Und sich öffentlich dazu be­kennt – hallo?] Eine SPD-Minister­präsidentin, die auch deshalb über ihre He­raus­forderin von der CDU trium­phiert hat, weil sie sich eindeutig hinter die Flücht­lingspolitik der Kanzlerin stellte, während die andere lavierte?

 

Natürlich waren diese Wahlen im März auch eine Art Volksabstimmung über Angela Merkels Flüchtlingspolitik und damit über die Frage, was für ein Land, was für ein Volk wir künftig sein wollen. Diese Frage ist fürs Erste beantwortet.

 

Die große Mehrheit hat entschieden, dass wir ein barmherziges Volk sein wol­len, dass wir offen sein wollen für Menschen in Not und dass wir bereit sind, von unseren Überschüssen an Geld und Lebenszeit etwas abzugeben. Was bis­lang ein schleichender Prozess war, ist jetzt das vom Willen der Mehrheit be­stätigte Programm für die nächsten Jahre: Wir bauen uns um in eine viel­far­bi­ge, multi­kul­turelle und multireligiöse Gesellschaft.

 

Für uns, für die spirituelle Szene in dieser Stadt, in diesem Land, hätte es besser nicht kommen können. Religiöse und spirituelle Kompetenz, lange Zeit als Revier von Sonderlingen missachtet, steht plötzlich hoch im Kurs. Unsere Erfahrungen auf 'anderen' als den üblichen christlichen Wegen, in anderen Ländern, auf an­de­ren Kontinenten zeigen nun ihren Wert – auch für andere.

 

Religiöse/spirituelle Zwei- oder Mehrsprachigkeit erweist sich als wichtige Res­sour­ce bei der nun anstehenden Integration der Flüchtlinge. Sie wollen und müs­sen ja auch als religiöse und spirituelle Persönlichkeiten anerkannt und ins ge­sell­schaftliche Leben eingebracht werden. Und wer wäre darin besser geübt als wir?

 

Sind wir auf unseren je eigenen spirituellen Wegen nicht allesamt Expert*innen darin geworden, in 'Fremden', angeblich so Andersartigen das Schöne, viel­leicht auch das lange Ersehnte zu entdecken? Wer also könnte die spirituellen Schätze,  die Weisheit und Güte der Neuankömmlinge besser erkennen und wür­digen, sie mit ihnen genießen und feiern als wir? Wir brauchen uns jedenfalls nicht mehr zu verstecken, klein zu machen. Der Zeitgeist weht uns dieser Tage in den Rücken.

 

Da passt es, dass wir von "Nirwana Events" mit unserem "Festival des spiri­tu­el­len Films" sowieso umziehen mussten: aus dem schönen, aber behelfsmäßigen Vorführraum "Gotischer Saal" in ein 'richtiges', technisch und architektonisch nahezu perfektes 60er Jahre-Kino, aus einem Hinterhof in Kreuzberg an eine Hauptstraße im Wedding (mit der U6 Rehberge fast genau vor die Tür), ins CITY KINO WEDDING des "Centre Français de Berlin": ein von der deutschen und fran­zösischen Regierung gemeinsam getragenes Kulturzentrum, das von nun an nicht nur der Ort, sondern auch der Mitveranstalter dieses Festivals ist. Wenn wir in den nächsten Jahren das eine oder andere Fenster gen Frankreich auf­machen, über dessen spirituelle Landschaft wir hier so gut nichts wissen, braucht Sie das also nicht zu verwundern …

 

Mit einem Besuch im CITY KINO WEDDING brauchen Sie übrigens nicht bis zu unserem Festival zu warten: Anne Lakeberg & Wiebke Wolter machen dort seit gut einem Jahr intelligentes Arthouse-Kino und laden immer wieder interes­sante Gäste ein. Ihr empfehlenswertes Programm finden Sie unter www.citykinowedding.de.

Kraft Wetzel